Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

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Salafisten

Der Salafismus dient heute als eine Art der Inkarnation des Bösen und dient inzwischen als „Unwert“, einem absoluten Feindbild. Naturgemäß wird hier schnell vergessen, dass auch dieses Klientel differenziert betrachtet werden muss. Auch der Islam beherbergt wie alle Religionen eine weltfremde Orthodoxie, die aber nicht mit Gewalttätigkeit gleichgesetzt werden kann. Damit sind wir, also die Muslime, die bewusst in der Öffent­lichkeit agieren, aber nicht aus der Verantwortung entlassen.

Für uns ist in der Tat auch dieser schmerzliche Satz nachvollziehbar: „Nicht alle Salafisten sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Salafisten.“ Die Behauptung, das Phänomen habe nichts mit der Geschichte des Islam zu tun, ist falsch. Die Idee, man könne ohne Vermittlung Muslim der ersten Generation sein, also aus seiner Zeit und der Geschichte springen, in die man de facto hineingeboren ist, hat beinahe wahnhafte Züge.

Es mag lästig sein, aber die Auseinandersetzung mit Wahn und Extremismus betrifft uns Muslime, wenngleich auch wir das Recht haben, auf die Asymmetrie der Situation hinzuweisen. Es ist sind nur wenige Moscheen von der gewaltbereiten Variante der leidigen Ideologie unterwandert und die allerwenigsten Muslime in Deutschland sind überhaupt je in ihrem Leben persönlich mit einem „Salafisten“ im Gespräch gewesen. Vielleicht müssen wir uns dennoch fragen, ob das Gebot der Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit manchmal zu weit ging; statt, zum Beispiel, wenn es nötig wird, auch gegenüber Muslimen klare Grenzen zu setzen. Das ist auch notwendig, weil prominente Salafisten sich heute hinter der Klausel verstecken, sei seien nur „einfache“ Muslime und keine Verantwortung für ihre desaströse, sektiererische Strategie übernehmen wollen.

Natürlich reicht es auch nicht, nur uns Muslime für eine gewaltbereite Jugend verantwortlich zu machen. Die künftige Rolle zorniger junger Männer in aller Welt, die unter den Rahmenbedingungen des globalen Kapitalismus verrohen, hat schon Peter Slotderdijk zum Thema gemacht. Wir erleben ihre Gewaltbereitschaft auch gerade in der Ukraine. In der Spiegel Story über das spezielle Phänomen jugendlicher Gotteskrieger zitiert das Magazin die Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong. Ihre These über das moderne Verhältnis von Religion und Krieg: „Nicht die Religion rechtfertigt den Krieg, der Krieg selbst ist das religiöse Erweckungserlebnis.“ In der Tat scheint für viele „Krieger“ der geistige Ausgangspunkt für ihre Empfänglichkeit für Ideologie, bis hin zu ihrer späteren Ausreise in die Kriegszonen, die Erfahrung der Langeweile zu sein, die, wie man weiß, die Grundstimmung des Nihilismus ist. Hier wurzelt auch die Empfänglichkeit von Jugendlichen gegenüber den anderen Ideologien.

So gesehen, ist die Bekämpfung der Langeweile und die Vermittlung echter Spiritualität von Jugendlichen das eigentliche Präventionsprogramm.