Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Systemfragen

«Zwischen Goldman Sachs und der Regierung in Washington bestehen sehr enge, fast inzestuöse Beziehungen. Finanzminister Henry Paulson ist ehemaliger Chef von Goldman Sachs, seine wichtigsten Mitarbeiter sind frühere Mitarbeiter von „GS“, und die Liste ist lang. Sogar in den USA weckt diese Allgegenwart ehemaliger Manager von Goldman Sachs in der Regierung Sorgen, und das nicht nur bei der neidischen Konkurrenz. Wie ist es sonst zu erklären, dass diese Bank, die im Zentrum der außer Kontrolle geratenen Spekulationen der letzten Jahre stand, den gegenwärtigen Sturm so unbeschadet überstanden hat? Auch ein möglicher Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus dürfte kaum etwas daran ändern. Die Namen, die für die Nachfolge Paulsons im Finanzministerium gehandelt werden, sind, man wird es begriffen haben, Banker von Goldman Sachs.» (Le Monde, Paris)

Maybritt Illners ZDF-Quasselrunden sind oft wenig unterhaltsam – gestern war das einmal anders. Statt ungezügeltem Gerede gab es ein kurzweiliges Duell zwischen dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU Merz und dem Linke-Star Lafontaine. Das Fernsehen bot damit einen selten gewordenen Rahmen für ein niveauvolles Gespräch. Naturgemäß ging es dann auch schnell um substantiellere Fragen zwischen „Sozialismus“ und „Kapitalismus“, „Staatsgläubigkeit“ und „Lobbyismus“. Gibt es gar einen dritten Weg?

Interessant waren die beiden Definitionen einer funktionierenden Demokratie. Lafontaine definierte vom Ergebnis her. Demokratische Verhältnisse zeigen sich nach seiner Meinung, wenn den sozialen und ökonomischen Interessen der Mehrheit entsprochen werde. Merz wurde bei dieser Grundsatzfrage auf dem falschen Fuß erwischt, wand sich und definierte dann, Demokratie zeige sich an Formalien, beispielsweise an den freien Wahlen. „Was aber, wenn die Formalien zwar stimmen, die Politik aber von Kapital gekauft wird?“, fragte Lafontaine.

Lafontaine, inzwischen warm gelaufen, stellte dann noch genüsslich fest, dass alle Regierungs-Experten der Finanzkrise letzlich Lobbyisten der Finanzindustrie selbst seien. Jetzt wurde es ungemütlich für Merz. Die IKB-Bank, gerettet zugunsten des Gläubigers der Bank, die Deutsche Bank, dann von Altlasten gesäubert und an den Hedge Fonds Lonestar verhökert, wird, wie Merz einräumen musste – was für ein Zufall – von der Anwaltskanzlei, für die Merz tätig ist, beraten. Man staunte über den Berliner Alltag des Lobbyismus am praktischen Anschauungsfall.

Sozialismus, Kapitalismus – inzwischen sind beide Gesellschaftsformen in Deutschland aus geschichtlichen Erfahrungen heraus durchaus fragwürdig geworden. Was nicht denkbar scheint, ist die Möglichkeit eines dritten Weges, der weder die Abhängigkeit von privatem Kapital noch vom Staat impliziert. Gibt es denn noch eine Wirtschaftsform zwischen der Diktatur der Wall Street oder dem grauen Alltag des biederen Staatssozialismus?

Hierzu bedarf es wohl zunächst eines anderen geistigen Impulses und Denkansatzes. Der Grundimpuls des Islam definiert in der ökonomischen Frage einen Mittelweg. Eigentum ist legitim, Handel erlaubt, Reichtum nach Abzug der Zakat ehrenhaft. Islam definiert aber auch die natürlichen Grenzen der Kapitalerhebung und der Islam definiert eine wesentliche Grundfreiheit: der Markt muss für jedermann/jedefrau frei zugänglich sein. Insofern heißt unser Motto „Freiheit, statt Kapitalismus und Sozialismus“. Die Aufgabe freier Wirtschaftspolitik ist es, zu verhindern, dass Monopolisten die Freiheit des Handels untergraben.