Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

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Was meint die „Radikalisierung“ der FAZ?

„EZB will im Feb bis zu 1 Bio € Kredit an Banken geben. Wozu braucht es noch EFSF+ESM? Die unendliche Bazooka ist die EZB. Es werde Geld! (Frank Schäffler, FDP-MdB in seinem Blog)

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist nicht nur eine Stütze der Gesellschaft, sondern auch eine politische Institution in Deutschland. Neuerdings finden sich dort Töne, die angesichts der bürgerlich-staatstragenden Ausrichtung des Blattes keine Illusionen mehr über den eigentlichen Zustand der Politik in Europa erlauben. Unter dem Titel „Europa schafft sich ab“ beklagte neulich der FAZ-Autor Dirk Schümer emotionslos den vorläufigen Höhepunkt europäischer Symbolpolitik, den lautlosen „Coup de Banque“ in Italien.

Schümer formuliert die Schlüsselfrage für die Wähler, nämlich „warum sie auf ideologische oder konfessionelle Schattierungen achten sollen, wenn am Schluss ein Bankier aus dem Nichts kommt, um die Gelder der auch von Bankiers verursachten Finanznot einzutreiben?“ Für den Autor stellt sich weiter die Frage, ob die EU-Kommission und die Zentralbank dieser Tage eine Rolle einnehmen, wie in „China das Zentralkomitee der kommunistischen Partei“. Ist Europa, so fragt Schümer dann unverhohlen am Schluss seines Artikels, gar nur noch „ein Museum der Demokratie?“.

Die Radikalisierung der öffentlichen Meinung ist damit in den ehrwürdigen Redaktionsstuben der FAZ angekommen, nur, was heißt das eigentlich wiederum für das Politische? Spielen diese Kommentare rund um die Grundsatzfragen des Politischen, bezogen auf die notwendige Mobilisierung der Massen, eben nur noch die gleiche Rolle wie eine der zahllosen Reden auf irgendeinem Facebook-Account, nämlich keine? Es ist zu befürchten.

An dieser Stelle fällt die Parallele zu bissigen, aber folgenlosen Kommentaren in der bürgerlichen Presse zum Wirken des deutschen Verfassungsschutzes auf. Über Jahrzehnte hatte das Amt, man könnte sagen in seiner eigentlichen Funktion, die angebliche Bedrohungslage für die Verfassung im politischen Feld verortet. Hier, jenseits der gewohnten Beobachtung einiger Horden im Lande und vielmehr in der Ablenkung vom eigentlichen Problem, liegt der unrühmliche Skandal dieser Institution.

Der französische Autor Jean Christophe Rufin beschreibt in seinem wichtigen Essay die „Diktatur des Liberalismus“ schon in den 80er Jahren die Vorliebe des modern aufgerüsteten Sicherheitsstaates, sich als „morbide“ und „verletzlich“ gegenüber seinen (alten) Feinden von Links und Rechts zu definieren. Hier und da wirkten auch V-Leute mit, Schauspieler des Politischen, um die Inszenierung einer akuten Bedrohungslage auch möglichst real wirken zu lassen.

Natürlich, die Erosion der Verfassung durch die unheimlich anwachsende Macht der Ökonomie war weder Gegenstand einer Observierung, noch einen der hysterischen VS-Berichte wert. Das Wirken eines Bankiers als „verfassungsfeindlich“ einzustufen war über Jahrzehnte undenkbar. Schlimmer noch, einige Berichte über die drohende „Machtergreifung“ der Verfassungsfeinde lassen ahnen, dass einigen Analysten der Ämter Grundkenntnisse über die Verfassung selbst fehlten, so wenn sie „Kapitalismuskritik“ selbst flugs als verfassungsfeindlich einstuften und die Neutralität des Grundgesetzes gegenüber ökonomischen Überzeugungen geflissentlich übersahen.

Heribert Prantl fasst den aktuellen Befund in der Süddeutschen Zeitung so zusammen: „Der Verfassungsschutz ist kein Verfassungsorgan, sondern ein Behördenkonglomerat, das im Geheimen operiert, von der Regierungspolitik dirigiert wird und von der Justiz nicht kontrolliert werden darf – dessen Überwachungskompetenzen in den vergangenen zehn Jahren aber erheblich ausgeweitet worden sind. Das passt nicht zu der Offenheit, die eine Demokratie auszeichnen soll, und nicht zu der Rechtsstaatlichkeit, deren sich die Bundesrepublik rühmt.“

Der Geheimdienst im Nachkriegsdeutschland hat sich längst in einer Art internen Lagerbildung verschiedener Absichten angedient, ein Teil dient ökonomischen Interessen, ein weiterer Teil ausländischen Machenschaften und ein dritter Teil, so muss man hoffen, den klassischen Sicherheitsinteressen unseres Staates. Es braucht keine Verschwörungstheoretiker um zu argwöhnen, dass sich der größere Teil des Sicherheitsapparates der politischen Überwachung entzogen hat. Hier besteht die Parallele zur gescheiterten Hegung der ökonomischen Macht, die sich ähnlich erfolgreich der politischen Kontrolle entzogen hat.