Alle Jahre wieder: die Islamdiskussion. Bereits 2006 hatte sich der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble zur Frage des Islam in Deutschland positioniert und eine gesellschaftliche Akzeptanz über das Faktum der Präsenz von Muslimen in Deutschland eingefordert.
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Seit damals arbeitet das politische Berlin sich an der theoretischen Frage ab, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. Der Riss geht heute quer durch die Regierung. Man könnte auch sagen, die künftige Arbeitsteilung im konservativen Teil der Koalition wird klar: Die CDU wirkt in die Mitte, die CSU nach Rechts.
Horst Seehofer plant nun die Neuauflage einer paradoxen Islamkonferenz, die über ein Phänomen sprechen soll, das nach seiner Ansicht hier keine Heimat habe. Was sagen die 4-5 Millionen Muslime dazu? Wenig. Einerseits wegen der mangelnden Repräsentation im Parlament, andererseits wegen des aufkommenden Frustes. „Zuhause ist, wo man sich nicht erklären muss“, lehrte einst Herder. In diesem Sinne versteht sich das Gefühl der Entfremdung, ein Gefühl, mit dem nun viele Muslime umgehen müssen.
Es ist unter den aktuellen Bedingungen nicht gelungen, die Definitionshoheit über wesentliche Begriffe der eigenen Lebenspraxis zu erringen. Nach dem Sprachwissenschaftler de Saussure fallen der Signifikant und das Signifikat auseinander – ein Impuls zum Verständnis der allgemeinen Begriffsverwirrung.
Diverse Umfragen präsentieren ihre Ergebnisse auf Grundlage der Frage „gehört der Islam zu Deutschland?“. Ihre Technik zeigt allein ihre eigentümliche Sinnlosigkeit. Der Begriff „Islam“ in seiner Bedeutung für die Gesellschaft ist längst ein Ergebnis freier Assoziation. Bedenklich ist dabei, dass die Mehrheit Inhalte definiert, die in größte Erklärungsnot geriete, würde man fragen, was Islam oder Deutschland seien.
Dennoch sollten wir Muslime nicht unseren Optimismus verlieren. Mehr denn je gilt es, die Stimme zu erheben und öffentlich zu definieren, woran wir glauben. Es mag sein, dass sich das politische Subjekt in bestimmte Echokammern zurückzieht. Wir sollten nicht diesem Beispiel folgen. Vielmehr gilt es jetzt, sich den gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen. Schließlich ist es nicht die Politik allein, die über gesellschaftliche Akzeptanz bestimmt. Im Land der Dichter und Denker sind es auch Philosophen, Schriftsteller und Wissenschaftler, die die kulturelle Wirklichkeit eines Landes bestimmen. Auch im Alltag, im Umfeld unserer Moscheen, am Arbeitsplatz oder an der Universität gilt es, auf ideologische Gewissheiten mit der Gelassenheit des Wissens zu reagieren.