Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Weltinnenraum des Kapitals

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat unter dem Titel „Im Weltinnenraum des Kapitals“ einen Entwurf „Für eine philosophische Theorie der Globalisierung“ vorgelegt. Die Wohlstandswelt, so Sloterdijk, tendiere dazu, einen ziemlich hermetischen Innenraum zu schaffen, und zwar ohne Rücksicht auf regionale oder nationale Homogenität. Sloterdijk nennt das den „Weltinnenraum des Kapitals“. Die Gegensätze und Grenzen werden dabei fließend: In China dürfte die kapitalistische Reform des Kommunismus über 400 Millionen Menschen in ihren Bannkreis gezogen haben, während in demselben Land 800 bis 900 Millionen in ländlicher Aussichtslosigkeit dahindämmern.

Sloterdijk hofft dennoch, dass die Demokratie in Nahen Osten, nach entsprechender „Verdichtung“ der arabischen Massen, ansteckend wirken könnte. Mit anderen Worten, den arabischen Massen muß noch beigebracht werden, dass in der freizügigen, demokratischen Kultur fast alles erlaubt ist, außer im Reglementierungsbereich der Ökonomie, da bleibt natürlich, vorsichtig ausgedrückt, nach wie vor einiges verboten.

Hier einige weitere Auszüge aus dem Interview mit der WELT vom 21.3.2005:

Reichtum:
„Künftig wird der reiche Mann nicht so sehr der große Besitzer sein, sondern der Unternehmer, der einen Kredit auf die Zukunft zieht und fremdes Geld in seinen Maschinen arbeiten läßt.“

Globalisierung:
„Entgegen ihrer Selbstreklame ist Globalisierung kein Beschleunigungs-, sondern ein Verdichtungsvorgang. Witzigerweise ist es tonangebenden Autohypnotiseuren gelungen, eine Welt, die auf gegenseitiger Behinderung aufbaut, als eine Welt umfassender Kooperation darzustellen. Die illusionäre Botschaft lautet: Gemeinsam sind wir schneller. Die wahre Nachricht hieße: Gemeinsam verwalten wir den Stillstand besser.“

Politik:
„Die größte Leistung des Politikers besteht heute darin, in der Bevölkerung die Phantasie am Leben zu halten, unter seinen Händen würden die Dinge im Land souverän vorangetrieben. Das ist im übrigen eine Stärke des heutigen Bundeskanzlers. Der wirkliche König der Lethargie war aber sein Vorgänger Kohl, der seinen Thron über dem totalen Stau errichtete.“

Terrorismus:
„Die zweite Form ist der Terrorismus, den ich vor allem als ein Nostalgiephänomen interpretiere: Man erkennt in ihm das Heimweh nach dem starken Täter. Dessen Profil wird auf der Seite der Angreifer genauso zelebriert wie auf der der Rezipienten. Man bringt daher stupiden Einzeltaten eine ungeheure Aufmerksamkeit entgegen, als fühlte sich das Kollektiv durch jeden Anschlag an etwas erinnert, wonach es lange gesucht hat.“

„Der Terrorismus wird bei uns geradezu sakralisiert. Denken Sie an das Buch „Powers of Ten“: Da sieht man eine Reise durch den Kosmos – vom Größten bis zum Kleinsten – wobei man den immer gleichen Bildausschnitt beibehält, ihn aber jedesmal um eine Zehnerpotenz vergrößert darstellt. Erst sieht man Galaxienhaufen, dann die Milchstraße, die Erde, ein Land, eine Stadt, einen Garten, dann liegt da ein Paar auf der Wiese, schließlich fährt die Kamera in die mikroskopische Welt hinein und holt die Elementarteilchen an die Oberfläche. Da erlebt man plastisch die Macht der Vergrößerung. Etwas ganz Ähnliches geschieht heute mit dem Terror: Nadelstichgroße Effekte im Realen werden durch unsere Medien bis auf das Format von interstellaren Phänomenen vergrößert.“