Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Der Neue

„Die Aufklärer bekommen einen bösen Mund, wenn es heißt, eine höhere Macht greife in Menschengeschichten ein oder präge mit aller Kraft die Zyklen der Welt. Der totgesagte Gott, als Jenseitsfalle der dummen Kreatur behämt, überdauert aber jede Bewegung, jeden Prozess, jede Erneuerung. Vielleicht ist es an der Zeit, im Umkehrschluss einmal die Aufklärung als das Opium der aufstrebenden Bürgerklasse anzusehen: jeder Gegenstand, der nicht Ware war und ist, wird dabei entwertet. Jeder Mensch, der als Musterbeispiel nicht taugt, wird als Restposten des alten Lebens verworfen.“ (Feridun Zaimoglu, aus: Der verfemte Gläubige)

Das Besondere am neuen Papst, aus dem Land der Dichter und Denker, liegt neben seiner Herkunft wohl auch in seinen intellektuellen Fähigkeiten verborgen. Schon vor seiner Wahl hatte der Kardinal gegen einen beliebig gewordenen Säkularismus, der sich bisweilen selbst zur Religion erhebt, opponiert und von der „Diktatur des Relativismus“ gesprochen. In Deutschland reagieren vor allem die politischen Eliten einigermaßen schockiert, müssen sie nun doch, zu ihrer Überraschung, eine ungeahnt substanziellere Debatte um den Säkularismus führen. Die transzendierenden Argumente können im Falle des deutschen Papstes nicht so einfach als Fundamentalismus abgetan werden.

Selbst der Bundeskanzler, eigentlich erklärter Atheist, sieht sich nun zur Andacht nach Rom pilgern. Angela Merkel, wirkt im Schatten des Papstes bereits irgendwie leichtgewichtig und fürchtet zu Recht um ihre Führungsrolle im christlich-konservativen Lager. Die Gefahr für die Muslime ist ebenso logisch, eine abendländische konservative Wende, die sich vor allem gegen den Islam definiert. So endet wahrscheinlich der kurze Höhenflug der 68er und die Integration der grau gewordenen Bürgerbewegungen in das technologische Projekt.

Der Papst will gegenüber dem Islam die Form wahren. Das ist gut so. Die Trennlinien sind – um nur einige zu nennen – klar: Die Trinitätslehre ist für Muslime denkunmöglich, die Behauptung, es gebe einen Sohn Gottes falsch. Das Priestertum und seine pastorale Macht sind dem Islam sowieso fremd. Die Solidarisierung der christlichen Kirche mit den Armen klingt gut, ändert aber nichts. Das Christentum hat wortgewaltig den Kapitalismus angeprangert, aber es fehlt ihm an echter Autorisierung, einem Weg, seinen Titanismus wirklich in die Schranken zu weisen. Die Brisanz des Islam und seiner Offenbarung liegt heute nicht in seiner politischen Deutung, wohl aber in seiner sich jedem Denkenden offenbarenden Klarheit gegenüber den maßlos gewordenen Illusionen des Kapitals.