Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Gemeinsamkeiten?

Doch Allah hat den Handel erlaubt und das Zinsnehmen verboten. (Al-Baqara, Sure 2, 275)

Wie steht es mit den Linken, den Globalisierungskritikern und dem Islam? Reflexionen zu diesem Thema greifen zumeist recht kurz. Olivier Roy sieht in seinem neuen Buch Der islamische Weg nach Westen die muslimischen Missionare des Terrorismus, in Anspielung an den Links-Terrorismus, gar schon in der Nachfolge der Ultralinken und Dritte-Welt-Bewegungen im städtischen Milieu:

„Al Qaida hat eindeutig einen bestehenden Raum von Anti-Imperialismus und Protest besetzt. (…) Al Qaida steht in der Nachfolge der ultralinken und Dritte-Welt-Bewegungen der siebziger Jahre. Soweit die extreme Linke in Europa noch existiert, tritt sie in desolaten Wohnsiedlungen und heruntergekommenen Innenstädten nicht mehr in Erscheinung. Die islamistischen Prediger haben die ultralinken Militanten und die Sozialarbeiter abgelöst. Viele junge Leute in solchen Stadtvierteln finden im radikalen Islam eine Möglichkeit, ihr Gefühl der Entwurzelung und des Ausgeschlossenseins auszudrücken und zu verstehen. Viele radikale Prediger mischen Koranzitate mit marxistisch klingenden Sätzen.”

In konservativen Medien taucht auch in letzter Zeit des Öfteren der grobe Versuch auf, Globalisierungskritik, linkes Denken und radikalen Islam in die gleiche Schublade des Antisemitismus und der Gewaltbereitschaft zusammenzufassen. Im Ergebnis ist dann jede Kritik an der neuen Radikalität des Kapitalismus irgendwie immer denunzierbar.

Die Lage ist aus islamischer Sicht komplex. Die im Islam verbotenen Praktiken, sei es Zinsnahme oder die Etablierung inflationärer Währungen, bis hin zum neuen Glauben an die Mechanismen des Kapitalismus überhaupt, hat heute natürlich auch längst Muslime ergriffen. Diese Einsicht verbietet dumpfe Verschwörungstheorien. Zweifelsohne war der islamische Handel von jeher ein positives Phänomen der Globalisierung und eine grundsätzliche Anti-Haltung gegen das alte Faktum der Globalisierung ist für Muslime schon deswegen wenig sinnvoll. Zweifelsohne hat der modernistische, radikale und politische Islam überhaupt keine – für Europäer nachvollziehbare und rationale – „ökonomische Kritik“ zu bieten. Ganz zu schweigen, dass die politische Bewegung und ihre Nachfolgeschaft wohl nicht einmal über ein Basiswissen das islamische Recht in diesem Bereich betreffend, verfügt.

Natürlich schließt dies Schnittmengen mit linker Globalisierungskritik nicht aus. Oskar Lafontaine hat es sich geleistet, den Islam einmal nicht aus der potentiellen Gegnerschaft heraus zu beleuchten, sondern aus möglichen Gemeinsamkeiten heraus. Einen solchen positiven Ansatz findet man in der heutigen Politik selten und der Denkansatz Lafontaines klingt dann auch durchaus souverän. So liest man in einem Interview mit dem Ex-Finanzminister im Neuen Deutschland:

„Es gibt Schnittmengen zwischen linker Politik und islamischer Religion: Der Islam setzt auf die Gemeinschaft, damit steht er im Widerspruch zum übersteigerten Individualismus, dessen Konzeption im Westen zu scheitern droht. Der zweite Berührungspunkt ist, dass der gläubige Muslim verpflichtet ist zu teilen.“

Im gleichen Interview zeigt Lafontaine dann intellektuelles Niveau und fachspezifische Sachkenntnisse über einen wichtigen Bedeutungszusammenhang zwischen dem Islam und seiner Offenbarung und der modernen Ökonomie:

Im Islam spielt das Zinsverbot noch eine Rolle, wie früher auch im Christentum. In einer Zeit, in der ganze Volkswirtschaften in die Krise stürzen, weil die Renditevorstellungen völlig absurd geworden sind, gibt es Grund für einen von der Linken zu führenden Dialog mit der islamisch geprägten Welt.